Diese Geschichte wurde von einigen Vereinsmitgliedern für den Adventskalender 2013 geschrieben. Da es schade wäre, wenn sie komplett verloren ginge, haben wir sie hier archiviert.

Adventskalender 2013 - Anela, die Weihnachtselfe

1) Cora

Cora

Cora blickte zum Himmel auf, der sich nun, da es Abend wurde, rasch verdunkelte. Die Tage waren in letzter Zeit wieder merklich kürzer geworden und man merkte, dass es auf Weihnachten und das Jahresende zuging.

Weihnachten, das war für Cora schon etwas Besonderes. Weihnachten 2011 hatte Ana sie aus der Tötungsstation gerettet. Coras Leben wäre ansonsten zu Ende gewesen. Weihnachten hatte aber auch etwas sehr Wehmütiges, denn nun würde es bereits das dritte Weihnachten sein, das Cora zwar in Sicherheit, aber ohne ein Zuhause verbringen würde. Es tat weh, zu wissen, dass man nicht gewollt war. Während viele andere Katzen kamen und dann in ihr neues Zuhause zogen, verging für Cora ein Tag nach dem anderen, ohne dass sich für sie etwas tat.

Cora seufzte und legte den Kopf auf die Pfoten: "Werde ich jemals Weihnachten in einem richtigen Zuhause feiern können? Werde ich nächstes Jahr endlich eine Familie haben?"

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Die kleine Weihnachtselfe Anela machte gerade eine Pause und genoss die frische, kühle Luft. Dabei betrachtete sie auf der magischen Erdkugel, die im Mittelpunkt des Weihnachtsdorfes in der Luft schwebte, die Vorgänge bei den Menschen. Elfen waren empfänglich für Stimmungen und als Anela so vor sich hin träumte und zuschaute, wie die Erdkugel sich langsam drehte, spürte sie plötzlich eine größere Ansammlung von Traurigkeit. Sie konzentrierte sich und ließ den Punkt, von dem dieses Gefühl ausging, größer werden, bis sie Einzelheiten erkennen konnte.

Zu ihrer Überraschung sah sie eine Katze. Kein besonders hübsches Tier, eine normale getigerte Katze eben, aber diese strahlte eine große Würde und eine unendliche Wehmut aus.

Anela war eine sehr mitfühlende Elfe und so bestürzte es sie sehr, dass ein Wesen so unglücklich sein konnte.

Unbemerkt von Anela hatte sich von hinten der älteste Elf genähert. Er blickte ebenfalls auf die Erdkugel und sah, was die Elfe betrachtete. "Na Anela, was schaust du dir da an?"

Anela sprang erschrocken auf. "Ältester, es tut mir leid, ich war in Gedanken. Ich spürte eine große Traurigkeit und sah diese Katze. Sie scheint sehr unglücklich zu sein."

Der älteste Elf betrachtete Cora und erklärte: "Sie hat kein Zuhause und niemanden, der sie liebt. Das macht sie sehr traurig. Weihnachten ist für sie ein besonderer Tag, denn zu Weihnachten wurde sie gerettet. Weihnachten ist für sie aber auch der bitterste Tag, denn das erinnert sie daran, dass sie immer noch kein Heim hat, keinen warmen Platz an der Heizung, dass sie dieses Jahr das dritte Weihnachtsfest in Folge einsam sein wird."

Anela schluckte: "Das ist ja furchtbar."

"Das zu ändern liegt leider nicht in unserer Macht, das können nur die Menschen. Es gibt viele wie sie, die kein Zuhause haben und keine glückliche Zukunft zu haben scheinen."

"Anela, du bist noch sehr jung und musst noch viel lernen. Ich möchte dir dieses Jahr eine besondere Aufgabe geben: Geh zu ihr und den anderen und sprich mit ihnen. Schau, ob du sie trösten und ihr Schicksal etwas erleichtern kannst."

Anela war etwas ängstlich, denn es war das erste Mal, dass sie alleine fortgeschickt wurde. Gleichzeitig war sie aber auch dankbar, dass der Älteste ihr diese Aufgabe übertrug, denn sie hoffte, dass sie die Traurigkeit etwas mildern konnte, die sie spürte. So machte sie sich auf den Weg.

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Cora hing weiter ihren dunklen Gedanken nach. Sie dachte daran, wie es damals war, als sie noch ein kleines Kitten war. Damals hatte sie ein Zuhause. Die Menschen fanden sie niedlich. Irgendwann aber änderte sich das Verhalten ihrer Menschen. Plötzlich war sie ihnen lästig und so niedlich war sie auch nicht mehr, als sie langsam erwachsen wurde. Eines Tages steckte ihre Familie sie in eine Box und brachte sie an einen furchtbaren Ort. Dort übergaben sie sie einfach einem Mann und gingen davon, ohne sich noch einmal umzusehen. Cora war in der Tötungsstation gelandet.

Ein Flimmern in der Luft riss Cora aus ihren trüben Gedanken. Links von ihr erschien ein kleines, fliegendes Wesen. Das Wesen schwebte langsam näher und ließ sich vor Cora auf einer Kratztonne nieder. Es sah aus wie eine Frau, nur dass es viel kleiner war und ein glänzendes, grünes Gewand trug. Der größte Unterschied waren die schillernden Flügel, mit denen es sich fortbewegte.

Cora starrte das Wesen fasziniert an. So etwas hatte sie noch nie zuvor gesehen.

"Hallo, ich bin Anela", stellte diese sich vor.

Cora war zu verwirrt, um sich noch weiter über das Erscheinen dieses merkwürdigen Geschöpfes zu wundern. "Anela, das ist ein merkwürdiger Name", stellte sie fest.

"Er bedeutet übersetzt Engel", erklärte Anela. Sie mochte ihren Namen sehr und war froh, dass ihre Eltern ihn ausgesucht hatten.

"Engel", wiederholte Cora. Langsam überwand sie ihre Verblüffung.

"Ich bin eine Weihnachtselfe", sagte Anela. "Ich habe dich vom Weihnachtsdorf aus gesehen. Dich umgibt eine große Traurigkeit und ich wollte sehen, ob ich dir irgendwie helfen kann."

Cora seufzte und legte den Kopf auf die Pfoten. "Ich glaube nicht, dass du das kannst. Kannst du ein Zuhause für mich herbeizaubern? Kannst du dafür sorgen, dass die Menschen mich wahrnehmen und mir eine Chance geben? Ich verbringe nun das dritte Weihnachten hier. Viele andere habe ich kommen und gehen sehen, sie sind in ihr Zuhause gezogen. Nur ich und einige andere sitzen hier und warten...und warten... und warten. Wir hoffen, dass es auch für uns noch etwas anderes gibt. Ana gibt sich alle Mühe und wir sind dankbar, dass wir in Sicherheit sind, aber dies ist kein Zuhause und wir sehnen uns danach, irgendwo willkommen zu sein."

Anela schluckte. Nein, sie konnte nicht zaubern, so sehr sie es sich nun auch wünschte. Sie konnte nichts tun, als den Katzen Mut zuzusprechen.

"Liebe Cora, ich kann dir leider wirklich nicht helfen. Das Einzige, das ich tun kann, ist, deine Geschichte zu erzählen, in der Hoffnung, dass sie das Herz eines Menschen berührt."

Cora seufzte erneut: "Das dachte ich mir. Aber danke, dass du dich sorgst und versuchst, zu helfen. Es gibt noch viele so wie mich, viele, die Ana gerettet hat und die noch auf der Suche nach einem Heim sind. Wenn du uns helfen möchtest, besuche sie, sprich mit ihnen und erzähle unsere Geschichten weiter."

"Das will ich tun", versprach Anela, zutiefst betrübt, dass sie nicht mehr tun konnte. "Ich verspreche dir, ich gebe mein Bestes. Ein viertes Weihnachten hier soll es für dich nicht geben."

"Danke", sagte Cora, und beobachtete, wie Anela sich auf den Weg machte.

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2) Tierra

Tierra

Tierra lag gerade gemütlich in der Wintersonne und döste. Plötzlich surrte es jedoch neben seinem Ohr und störte ihn in seinen Gedanken. Ein kleines zierliches Mädel schwebte vor ihm. Ängstlich und doch neugierig blinzelte Tierra ihm zu.

Normalerweise fand er Menschen eher unheimlich. Sie waren laut, bewegten sich hektisch und wollten ihn dann auch noch berühren. Das ging eindeutig zu weit.

Doch diese Person war so winzig, dass er sie mit einer seiner Pfoten hätte verletzen können. Komisch, jetzt war er mal der Größere und Stärkere. Dieses Gefühl kannte Tierra noch gar nicht. Das Wesen guckte ihn amüsiert an und fragte: "Na Kleiner, fertig mit der Musterung?" Tierra erschrak und wich zurück. Sogleich beruhigte Anela ihn jedoch: "Hey, es ist alles ok. Du brauchst mich nicht zu fürchten."

Tierra blinzelte, das zierliche Etwas war immer noch da. "Was möchtest du von mir?"

Die Elfe guckte ihn an und sprach: " Ich bin die Weihnachtselfe und habe gehört, dass ihr alle hier ein Zuhause sucht - du auch."

Tierra seufzte laut auf. "Jawohl, das möchte ich. Sehr gerne sogar. Eigentlich ist es mein größter Wunsch mit meinem Freund Patricio zusammen ein Zuhause zu finden. Aber, schau uns beide doch bitte mal an. Wer möchte denn gerne zwei zurückhaltende Kater adoptieren, die keine ungewöhnliche Fellfarbe besitzen? Patricio und ich sind doch beide nur einfache Tigerkater. Dazu sind wir inzwischen Jungspunde und dann auch noch im Doppelpack..."

Tierra lachte bitter auf .... "Nein, nein! Ich werde hier wohl alt werden."

Seine Augen glänzten verdächtig und er murmelte leise "... so schlecht ist es hier auch gar nicht. Ich werde nicht gejagt, bekomme regelmäßig frisches Futter und Wasser, und meine Toilette wird auch regelmäßig gesäubert. Das ist wohl schon ok so."

Anela flüsterte, "Lieber Tierra, ich finde deine Bauchtupfen ganz bezaubernd und dein glänzendes Fell muss sich sehr seidig anfühlen. Bitte gib die Hoffnung nicht auf. Ich werde deine Geschichte erzählen, damit viele Personen dich kennen- und lieben lernen möchten. Versprochen!"

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3) Tatiana

Tatiana

Bei der nächsten Katze, die Anela besuchte, dachte sie zuerst, sie hätte sich geirrt. Es war eine noch sehr junge, schwarze Katze. Die Kleine konnte höchstens 5-6 Monate alt sein, wie konnte so eine junge Katze schon so traurig sein? In diesem Alter sollte sie herumtollen und jede Menge Blödsinn machen.

Die Katze musterte sie erstaunt. "Hallo, was bist du denn? So etwas wie dich habe ich ja noch nie gesehen."

Anela stellte sich vor und erklärte den Grund ihres Kommens.

Die schwarze Katze senkte den Kopf. "Ich bin Tatiana. Dein Empfinden hat dich nicht getrogen. Ich bin sehr traurig. Bis vor kurzem war ich ein normales, kleines Katzenkind. Ich habe das Leben genossen und mit meiner Schwester gespielt und getobt. Wir haben uns sehr gut verstanden und jede Menge zusammen angestellt. Unsere Menschen haben viel gelacht, wenn sie uns zugesehen haben."

"Doch eines Tages haben sie uns genommen und in einen Karton gesteckt. Sie haben uns weggetragen und wir waren eine Weile unterwegs. Als ein fremder Mann uns aus dem Karton nahm, steckte er uns in einen schmutzigen, stinkenden Käfig. In der Nähe bellten die ganze Zeit Hunde. Wir hatten große Angst. Nachts wurde es sehr kalt und die ganze Zeit war es laut. Die Menschen waren grob zu uns und es gab kaum etwas zu essen. Meine Schwester wurde deshalb krank."

"Eines Tages kam dann Ana und hat uns mitgenommen. Sie gab uns zu essen und ein weiches Bettchen. Wir waren endlich in Sicherheit." Sie seufzte bitter. "Für meine Schwester Valeria kam die Hilfe zu spät. Sie war bereits sehr krank und starb kurz darauf. Ich vermisse sie schrecklich." In ihren Augen schimmerte es verdächtig. "Wie konnten sie so etwas tun, uns an so einen Ort zu bringen? Wieso musste Valeria sterben, was hat sie ihnen denn getan?"

Anela wurde das Herz schwer. Das ganze Leid und der Kummer, den diese Katzen ertragen mussten, bedrückten sie sehr. "Ich weiß nicht, warum man euch das angetan hat. Einige Menschen sind schwer zu verstehen."

"Hier ist es ganz gut, hier werde ich versorgt", sagte Tatiana. "Aber ich fühle, dass da mehr sein muss, ein Ort, an den ich gehöre, wo ich geliebt werde, bei Menschen, denen ich wirklich etwas bedeute. Einen solchen Ort muss es doch auch für mich geben, oder?" Sie schaute Anela fragend an.

"Ich bin ganz sicher, dass es diesen Ort für dich gibt", erwiderte Anela. "Ich verspreche dir, dass ich deine Geschichte erzählen werde, damit ich deinen besonderen Menschen für dich finde."

Tatiana seufzte sehnsüchtig. "Ich wünsche es mir so sehr. Ich möchte nicht sterben, ohne noch einmal ein Heim gefunden zu haben. Das ist mein einziger Wunsch."

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4) John

John

John lag gemütlich auf dem Kratzbaum und schaute aus dem Fenster. Ein Sirren in der Luft weckte seine Aufmerksamkeit. Neugierig drehte er sich um umd starrte wie vom Donner gerührt auf das kleine, geflügelte Wesen, das vor ihm in der Luft schwebte.

"Hallo", grüßte Anela.

"Was bist du denn?" fragte John völlig fasziniert.

"Ich bin eine Weihnachtselfe und mein Name ist Anela", erklärte diese. Ich weiß, dass du, wie viele andere, auf der Suche nach einem Zuhause bist."

"Das stimmt", sagte John. "Ich hatte ein Zuhause, aber dort wurde ich irgendwann lästig und man schob mich einfach in die Tötungsstation ab. Dann fand man für mich ein neues Zuhause, nachdem Ana mich gerettet hat. Es dauerte aber nicht lange, dann wurde ich auch dort nicht mehr gewollt." Er lachte bitter. "Ich war nicht das, was man erwartet hatte. Nun lebe ich hier auf der Pflegestelle. Hier ist es ganz nett und mein Pflegefrauchen gibt sich viel Mühe mit mir. Ich gehöre aber einfach nicht richtig dazu, das weiß ich doch. Denn irgendwann werde ich hier wieder ausziehen, das ist uns allen bewusst."

"Ich möchte doch nur endlich ein eigenes Zuhause haben, eins, in dem ich so geliebt werde, wie ich bin und für immer bleiben darf. Wieso werde ich immer abgeschoben, was ist falsch mit mir?"

Anela schluckte. "Mit dir ist gar nichts falsch, du bist doch ein ganz toller Kater. Ich bin sicher, da draußen gibt es den Menschen, der das erkennt und dir ein Heim gibt. Man hat mich geschickt, um mit dir und den anderen zu sprechen und eure Geschichten zu erzählen. Ich hoffe, dass ich euch damit helfen kann, wenn ich leider sonst schon nichts tun kann."

"Danke, dass wir dir nicht egal sind und dass du dich kümmerst", sagte John. "Vielleicht gibt es ja auch für mich irgendwann meinen Menschen."

Anela schwebte näher, küsste ihn auf die Stirn und machte sich auf den Weg, auch Johns Geschichte zu erzählen.

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5) Melusina

Melusina

Auch Melusina reagierte verblüfft auf Anelas Erscheinen. Anela war diese Reaktion inzwischen gewohnt und so stellte sie sich rasch vor und erklärte den Grund ihres Kommens.

"Ich bin jetzt schon seit 1,5 Jahren hier", erklärte Melusina. "Ursprünglich lebte ich mit anderen Katzen in einer Kolonie. Die Menschen dort mochten uns nicht. Viele von uns wurden vergiftet, erschlagen und auf sonstige Art getötet. Ana erfuhr, was vor sich ging und in welcher Situation wir uns befanden. Sie fing uns Überlebende ein und brachte uns in Sicherheit."

"Nun lebe ich schon sehr lange hier und so weit geht es mir gut. Ich bekomme genug zu essen, bin vor bösen Menschen sicher und werde versorgt. Aber soll das alles sein? Seit über einem Jahr kenne ich nur diesen Raum. Die Katzen, die in ein neues Zuhause gezogen sind, waren ganz aufgeregt. Sie hatten so viel Hoffnung, solche Vorfreude. Ich sitze hier und schaue zu, wie sie ausziehen. Dabei male ich mir aus, wie es ihnen in ihrem neuen Zuhause geht und ich bin neidisch und enttäuscht. Wie sehr wünsche ich mir, dass auch für mich endlich der Moment kommt. Immer wieder wird meine Hoffnung enttäuscht."

Anela, die ihr Zuhause sehr liebte, konnte sich vorstellen, wie schlimm es war, nirgends dazu zu gehören und sich verzweifelt nach einem Heim zu sehnen.

"Ich kann nachfühlen, wie es dir geht. Ich werde mein Bestes geben, damit du bald ein Heim findest."

Melusina war ein wenig getröstet und Hoffnung keimte in ihr auf. Schweigend beobachtete sie, wie Anela verschwand.

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6) Pixies & Bayou

Pixies & Bayou

Es war noch recht früh am Morgen und das Pflegefrauchen von Pixies und Bayou war gerade zur Arbeit gegangen. Die anderen Katzen hatten sich satt und zufrieden auf verschiedene Schlafplätze verzogen und die beiden überlegten, was für Blödsinn sie als Nächstes anstellen könnten.

"Schau mal, was ist das denn?", fragte Bayou und starrte an Pixies vorbei in die Luft.

Pixies drehte den Kopf und folgte seinem Blick mit den Augen.

Anela war die verblüfften Reaktionen nun schon gewöhnt und so stellte sie sich rasch vor und erklärte den Grund ihres Erscheinens.

Pixies seufzte und begann, aus ihrem früheren Leben zu erzählen: "Ich kann mich an die Tötungsstation kaum noch erinnern. Meine Geschwister und ich waren noch ganz klein, als wir dort gelandet sind. Ich weiß nur noch, dass meine Mama furchtbare Angst hatte. Nach unserer Rettung ist mein Bruder Bucay gestorben und ich selber war sehr krank. Ana sagt, es hätte nicht viel gefehlt und ich wäre auch über die Regenbogenbrücke gegangen."

"Mein Pflegefrauchen meint, dass ich daher eine leichte Ataxie habe, so nennt man das wohl. Ich kann nicht ganz so gut springen wie die anderen, und wackle hinten etwas beim Laufen. Selbst bevor das festgestellt wurde, hat sich kaum jemand für mich interessiert. Meine Brüder und meine Mutter sehen mehr nach Rassemix aus, die drei haben schon lange ihr eigenes Zuhause gefunden."

"Für mich und Bayou wird es schwer werden, ein Heim zu finden. Die Menschen wollen immer das Perfekte, und wir sind beide nicht perfekt."

Bayou schaute Pixies nachdenklich an und meinte: "Ja, wir sind beide nicht ganz so perfekt vom Äußeren her. Du mit deiner Mini-Ataxie und ich mit meinem leicht schiefen Maul. Dabei wurde mein Eckzahn doch schon gezogen und ich sehe ohne ihn viel angenehmer aus. Probleme haben wir beide doch nicht wirklich mit diesen Dingen, es sind vielmehr eher optische Mängel."

Bayou fuhr traurig fort: "Und für mein schiefes Maul sind auch noch die Menschen verantwortlich. Bevor ich in die Tötungsstation kam, lebte ich kurze Zeit auch auf der Straße. Eines Tages kamen einige Menschen vorbei. Sie sahen mich .... ich war noch sehr klein und vor Hunger schon fast bewusstlos, so dass ich auch nichts Schlimmes ahnte. Doch statt Liebe oder Futter bekam ich einen Tritt, und diese Menschen brachten mich schließlich in die Tötungsstation. Ich hatte jedoch sehr viel Glück - ich überlebte diesen Angriff und Ana rettete mich. Da ich kaum fressen konnte, nahm sie mich mit zu sich nach Hause und dort lernte ich, dass nicht alle Menschen so hartherzig sind, sondern dass es auch sehr viele liebe Menschen gibt, denen man vertrauen kann - so konnte ich also meine heftigen Erinnerungen verblassen lassen und bin ein Schmusekater geworden."

Pixies schmiegte sich an Bayou und pflichtete bei: "Genau, du sagt es! Charakterlich sind wir wirklich ein unglaubliches Team - verschmust zu Menschen und sozial mit anderen Katzen."

Anelas Blick schweifte zwischen Bayou und Pixies hin und her. Die beiden hatten wirklich schon etwas mehr Glück als ihre spanischen Freunde gehabt, auch wenn sie immer noch ein Zuhause suchten, so lebten sie immerhin auf einer Pflegestelle in Deutschland.

Bayou blinzelte Anela an und fragte neugierig: "Und du, was hast du für besondere Fähigkeiten? Kannst du zaubern?"

Anela antwortete: "Nein, zaubern kann ich leider nicht, aber ich habe die Gabe, intensive Gefühle zu spüren. Bei euren Freunden in Spanien bemerke ich eine große Traurigkeit. Gerade bei jenen Katzen, die schon sehr lange bei Ana sind und daher sehr lange auf ihre eigene Familie warten. Bei euch beiden hier, Pixies und Bayou, fühle ich auch noch eine gewisse Traurigkeit und Zweifel, aber auch sehr viel Hoffnung und Dankbarkeit."

"Aber bitte, erinnert euch, ihr habt die Tötungsstation überlebt, habt den Tritten und Keimen getrotzt - auch wenn ihr damit ganz schön zu kämpfen hattet ... ihr habt es bis hierhin geschafft. Da wird sich mit Sicherheit auch noch eine tolle Famile für euch finden lassen, denn auch eure Geschichte werde ich in die Welt hinaustragen."

Es blinkte kurz auf und Anela war verschwunden.

Bayou blickte Pixies verwundert an: "Habe ich das geträumt?"

Pixies grübelte: "Nein, Anela war wirklich hier - jedenfalls glaube ich das!"

Sie stupste Bayou an und schon balgten die beiden sich über den Fußboden.

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7) Letizia

Letizia

Anela kehrte zurück nach Spanien, um mit weiteren Katzen zu sprechen. Plötzlich musste sie einfach stehen bleiben. Sie hatte das Gefühl, dass sie vor eine unsichtbare Mauer aus Trauer, Verzweiflung und Schmerz rannte. Sie schaute, woher diese intensiven Gefühle kamen und sah eine Grautigerin eingerollt in einer Kratztonne liegen. Sie ging langsam auf diese Katze zu und sprach sie leise an. "Hallo, ich bin Anela. Ich bin hier, um eure Geschichten zu erzählen. "Wer bist du?"

Die Tigerin sah Anela mit hoffnungslosen Augen an. "Ich heiße Letizia."

"Letizia, was für ein schöner Name. Was ist mit dir passiert? Warum bist du so traurig?"

"Tja, was ist mit mir passiert? Früher wurde ich geliebt und hatte eine Familie, aber dann wollten sie mich nicht mehr und setzten mich einfach aus. In der Kolonie, in der ich landete, lebten viele andere Katzen. Die Anwohner wollten uns dort nicht haben. Sie warfen Gegenstände nach uns, gossen Öl in unser Wasser, vergifteten und töteten viele von meinen Freunden. Wir hatten jeden Tag Angst."

Anela konnte nicht fassen, was sie da hörte. "Was ist dann passiert? Wie bist du zu Ana gekommen?"

"Eines Tages kam sie und rettete viele von uns. Sie brachte uns auf die Finca und gab uns Schutz, Futter und sauberes Wasser. Das ist mittlerweile 1,5 Jahre her. Für mich gab es bis jetzt kein Happy-End. Schau mich an, ich bin im falschen Fell geboren und habe zudem auch noch Angst vor Menschen. Wer will mich schon haben?"

Anela schluckte. "Letizia, auch für dich wird der richtige Mensch kommen. Du wirst in ein traumhaftes Heim ziehen. Dein Fell hat eine bildschöne Zeichnung und du bist sozial zu anderen Katzen. Auch dich wird jemand lieben und dir die Zeit geben, die du brauchst."

In Letizias Augen glomm ein kleiner Funke Hoffnung auf. "Das wäre so schön, endlich wieder eine eigene Familie, ich möchte doch auch nur geliebt werden und jemanden lieben. Ist das so ein schlimmer Wunsch? Meinst du wirklich, dass es ein Zuhause für mich gibt?"

"Nein, Letizia dein Wunsch ist wunderschön. Ich bin davon überzeugt, dass es einen Menschen gibt, der genau auf dich wartet, ich werde deine Geschichte erzählen und hoffen, dass auch du bald dein Zuhause bekommst."

Letizia blickte Anela aus traurigen und doch hoffnungsvollen Augen an. "Danke, dass wenigstens du an mich denkst, ich werde sonst immer übersehen!"

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8) Rocio

Rocio

Rocio saß in einer Kuschelhöhle & fror. Dieses Jahr war's wirklich unglaublich kalt und ungemütlich im Winter. Gut, letztes Jahr war sie auch noch recht klein gewesen und lebte mit ihrer Mutter und den Geschwistern zusammen bei einer Menschenfamilie. Dort war's immer wohlig warm gewesen. Rocio dachte weiter an ihre Mutter - wie es ihr wohl gehen mochte? Ob sie immer noch bei der Familie lebte? Oder ob sie inzwischen auch abgeschoben worden war?

Rocio seufzte auf. Sie vermisste ihre Familie und auch das Kuscheln mit den Menschen. Gut, hier hatte sie viele neue Freunde gefunden. Aber eine eigene Familie wäre trotzdem toll.

Tierra hatte ihr berichtet, dass er nun wieder Hoffnung hätte. Er habe die Weihnachtselfe Anela gesehen und sie wolle nun für alle suchenden Katzen von Ana ein Zuhause finden.

Das wäre wirklich unglaublich - ein eigenes Zuhause mit eigenen Menschen, die einen lieb haben, bekuscheln und knuddeln, sowie jederzeit ausreichend Futter - und das alles am liebsten zusammen mit ihrer Freundin Albina.

Wirklich ein Traum der Hoffnung - wobei, ist Weihnachten nicht das Fest der Liebe, der Hoffnung?

Vielleicht geschehen ja manchmal doch Wunder?

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9) Promis

Promis

Promis war ein verspieltes, kleines Katzenkind, das die Welt neugierig erkundete. Sie war sehr offen für Neues und so nahm sie Anelas Erscheinen einfach als ein weiteres, spannendes Ereignis hin.

"Hallo, spielst du mit mir?"

Anela war amüsiert über Promis' unbekümmerte Art. "Wir können gerne spielen. Erzählst du mir vorher, wie du hierher gekommen bist?"

Promis setzte sich bequem zurecht: "Ich komme aus der Tötungsstation, wie so viele von uns. Man hat mich und meine Geschwister unserer Mutter weggenommen, als wir noch ganz klein waren, und uns dann in die Tötung gesteckt." Sie erinnerte sich, wie ihre Mutter ihnen hinterher gerufen hatte und wieviel Angst sie in der Perrera gehabt hatten. "Ana hat uns dann von diesem schrecklichen Ort gerettet. Inzwischen bin ich schon fast fünf Monate hier."

Ich bin sicher, du findest bald ein Zuhause", sagte Anela. "Du bist jung und niedlich, bestimmt gibt dir demnächst jemand ein Heim."

"Ich weiß nicht", Promis war sich da nicht so sicher. "Schau dir Melusina an. Gut, sie ist wesentlich älter als ich, aber auch sie ist sehr hübsch und trotzdem interessiert sich niemand für sie."

Darauf wusste Anela nichts zu sagen, denn Promis hatte recht.

"Aber Schluss jetzt mit den trüben Gedanken", forderte Promis energisch. Sie war von Natur aus ein fröhliches Kätzchen und mochte es nicht, sich Sorgen zu machen. "Lass uns spielen."

Anela bewunderte Promis für ihre unbekümmerte Art. Sie hoffte, dass diese wirklich bald ein Zuhause finden würde.

Für den Moment ließ sie sich von den traurigen Geschichten der Katzen ablenken und sie begann, mit Promis zu spielen.

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10) Moira

Moira

Auch zu Moira hatte sich herumgesprochen, dass eine kleine Weihnachtselfe unterwegs war, um sich die Geschichten der Katzen anzuhören und diesen Mut zuzusprechen.

Moira hoffte, dass Anela auch zu ihr kommen würde, denn eine Geschichte hatte auch sie zu erzählen.

So erfüllte es sie mit einer gewissen Freude, als Anela vor ihr in der Luft erschien. "Hallo, Anela", begrüßte sie die Elfe, bevor diese etwas sagen konnte. "Ich habe schon von dir gehört."

Anela musterte Moira. Auch diese umgab eine tiefe Traurigkeit und Resignation. Sie seufzte, denn sie wusste, dass sie auch hier sehr traurig wieder gehen würde. "Hallo", grüßte sie. "Du bist Moira, nicht wahr?"

"So haben die Menschen mich genannt", bestätigte Moira. "Jedenfalls, die, denen etwas an mir liegt. Davor hatte ich keinen Namen, da war ich nur 'die Katze'."

"Auch du bist schon sehr lange hier", stellte Anela fest.

"Ja," bestätigte Moira, "genau wie Cora. Auch ich wurde Weihnachten 2011 aus der Tötungsstation gerettet. Damals war ich noch sehr jung. Ich habe mich gefreut, in Sicherheit zu sein und gehofft, dass ich bald ein richtiges Heim bekomme. Inzwischen habe ich die Hoffnung aufgegeben. Schau mich doch an: Ich bin schon lange nicht mehr klein und niedlich. Hübsch bin ich auch nicht. Ich bin doch nur eine normale Schildpattkatze und dazu noch überwiegend schwarz. Nicht gerade das, um das die Leute sich reißen."

"Früher wurde sogar behauptet, dass Schildpattkatzen Unglück bringen und viele von uns wurden gleich nach der Geburt ertränkt. Insofern habe ich noch Glück gehabt, dass man mich 'nur' in der Tötungsstation abgegeben hat."

Moira klang sehr bitter und Anela brach es fast das Herz. Wie sehr wünschte sie sich, zaubern und all diesen Katzen zu einem schönen Heim und etwas Glück verhelfen zu können.

Moira fuhr fort: "Weißt Du, so schlecht ist es hier ja nicht. Wir sind in Sicherheit und werden versorgt. Trotzdem tut es weh, wenn jemand, der gerade erst angekommen ist, schon ein Zuhause gefunden hat und wieder geht, während wir hier sitzen und hoffen."

Ihre Stimme wurde leiser. "Irgendwo da draußen muss es doch jemanden geben, jemanden, dem ich nicht völlig egal bin." Sie wisperte, "irgendjemand, der mich lieb hat?" Moira schaute Anela flehend an. "Gibt es so jemanden nicht auch für mich?"

Anela wischte sich eine Träne ab. "Ich verspreche Dir, ich gebe mein bestes, diese Person zu finden."

Moira seufzte resigniert. "Ich möchte gerne daran glauben, aber ich habe die Hoffnung aufgegeben."

Anela wusste wirklich nicht, was sie darauf noch sagen konnte, um Moira zu trösten. Sie hoffte aus tiefstem Herzen, dass Moiras Geschichte jemanden rühren würde, der der armen, verzweifelten Katze ein Heim geben würde. So machte sie sich mit schwerem Herzen auf den Weg, auch Moiras Geschichte zu erzählen.

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11) Puck

Puck

Puck lag schlafend auf einer kuscheligen Decke und träumte. Er war noch sehr jung und hatte trotzdem schon sehr viel Elend gesehen.

Anela bemerkte seine traurigen Erinnerungen und daher erschien sie diesmal dem kleinen hübschen Russisch-Blau-Mix. Innerlich machte sie sich auf die nächste tieftraurige Geschichte gefasst.

Im Traum sprach Anela Puck an: "Hallo Puck, ich bin Anela, die Weihnachtselfe."

Puck antwortete: "Hallo Anela, ich habe schon sehr viel von dir gehört. Du bringst hier viel Aufregung in die Katzengruppe rein und viele schöpfen dank dir nun neue Hoffnung. Auch ich habe leider schon viel zu viel erlebt, sehr früh wurden meine Geschwister und ich von unserer Mutter getrennt und in der Tötungsstation abgegeben."

Puck zitterte am ganzen Leib und er weinte: "Bis auf Julio sind alle meine Geschwister verstorben. Und auch viele meiner Freunde waren sehr schwach und zu jung, um die Perrera zu überleben. Sie hatten keine Kraft mehr. Nur mein Bruder und ich konnten von Ana gerettet werden. Meine anderen Geschwister haben es alle nicht geschafft."

Anela war zutiefst schockiert, dass viele Katzenbabys schon so jung von ihrer Mutter getrennt und in die Tötung gebracht wurden. Dort hatten die Kleinen doch kaum eine Chance. Sie seufzte auf, für sie war ein so früher Verlust der Mutter ein harter Schlag und unvorstellbar. Ihre Eltern standen ihr immer bei und trösteten sie.

Puck riss sie aus ihren Gedanken: "Auch wenn ich wohl recht hübsch aussehe - jedenfalls wird das über mich gesagt - so habe ich dennoch bisher keine eigene Familie gefunden. Die älteren Katzen erzählen uns immer schöne Geschichten von Weihnachten und dass man einen Wunschzettel schreiben kann. Du bist zwar nicht der Weihnachtsmann, aber magst du vielleicht trotzdem meinen Wunschzettel mitnehmen und weiterleiten?"

Anela besah sich den Zettel, unbeholfen stand dort: "Pucks Wunschzettel - Zuhause für meinen Bruder Julio, und ich hätte auch gerne eine liebe Familie, die mich adoptiert."

Die Elfe versprach: "Lieber Puck, ich helfe dir sehr gerne und werde daher auf jeden Fall deinen Wunschzettel an den Weihnachtsmann weitergeben und deine Geschichte erzählen."

Puck schnurrte zufrieden und bedankte sich artig: "Anela, vielen lieben Dank dafür!"

Anela verschwand aus Pucks Traum und der kleine Kater schlief entspannt weiter.

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12) Joma

Joma

Joma sprang vergnügt hinter Aracelo her. Die zwei Tiger tobten wild durch das Gehege. Plötzlich stieß Joma gegen etwas Weiches, Warmes. Sie riss erschrocken die Augen auf und sah einen Minimenschen vor sich, der sich gerade den Kopf rieb. Das Merkwürdige an diesem Etwas war jedoch, dass es nicht auf dem Boden lief, sondern in der Luft schwebte.

Vorsichtig tippt Joma die kleine Person an und meinte: "Entschuldigung, ich habe dich gerade gar nicht gesehen!"

Anela antwortete trocken: "Ja, das habe ich bemerkt!" Und meinte dann schmunzelnd: "So stürmisch und charmant wurde ich noch nie begrüßt! Ich bin übrigens die Weihnachtselfe Anela."

Joma erschrak - bestimmt hatte sie sich nun mit ihrer Aktion alle Chancen verdorben, angehört zu werden und die Elfe würde nun weitergehen. Andererseits hatte sie aber bisher wirklich nur Positives und mitfühlende Geschichten von Anela gehört.

Die Weihnachtselfe erklärte Joma: "Hey, es ist alles ok, mir geht es gut. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Warst du auch noch ein Katzenbaby, als du in die Perrera kamst und dann anschließend gerettet wurdest?"

Joma nickte und schaute nun betrübt drein: "Ja, ich wurde wie fast alle junge Katzen hier von meiner Mutter getrennt und in die Tötungsstation gebracht. Ana hat jeden Tag neue Katzen herausgeholt und irgendwann hatte ich auch Glück und wurde von ihr gerettet. Nun fehlt mir eigentlich nur noch eine eigene Familie. Weißt du, ich mag es unheimlich gerne, mit Menschen zu kuscheln - magst du mich mal streicheln?"

Anela lachte: "Joma, du bist echt ein ganz besonderes Fellchen. Das hat bisher noch keiner deiner Freunde mich gefragt."

Joma sah irritiert auf: "Ist das jetzt schlimm? Weißt du, ich würde unheimlich gerne endlich von jemanden den lieben langen Tag geknuddelt werden. Hier sind wir so viele, da fällt einer kaum auf. Und ein Tigerchen wie ich geht hier doch eh in der Menge unter. Sieh dich doch mal um, wieviele Tigerkatzen hier sitzen, in allen möglichen Schattierungen und manche suchen schon ihr ganzes Leben eine eigene Familie. Warum sollte ausgerechnet ich das Glück haben, zeitnah adoptiert zu werden?"

Anela blickte Joma an, diese Katze war noch nicht so traurig wie die anderen Fellchen, aber auch hier spürte sie schon eine gewisse Trostlosigkeit.

Joma guckte sie erwartungsvoll an und so meinte Anela: "Auch wenn du noch nicht so lange suchst, hast du vermutlich recht. Hier gibt es wirklich viele Katzen, die getigert sind. Daher möchte ich dir gerne helfen und werde von deiner Geschichte berichten."

Joma bat: "Bitte, nimm nicht nur meine Geschichte mit." Sie tapste auf Anela zu und gab ihr einen Wangenkuss: "Danke, Anela. Danke, dass du uns allen helfen möchtest. Das werden wir dir nie vergessen!"

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13) Joguar

Joguar

Joguar hatte in seinem Leben schon viel erlebt. So konnten ihn die aufgeregten Erzählungen der anderen Katzen über die Weihnachtselfe nicht wirklich aus der Ruhe bringen. Er glaubte nicht, dass diese zu ihm kommen würde. Und selbst wenn, was würde das denn ändern? Ein Zuhause würde er bestimmt nicht mehr finden.

Als es in der Luft sirrte, und Anela erschien, schöpfte er trotz seiner düsteren Gedanken doch ein klein wenig Hoffnung.

"Hallo, du bist also die Weihnachtselfe", begrüßte er Anela. "Die anderen erzählen viel über dich."

Anela musterte ihn. Er sah wirklich mitgenommen aus. Man konnte erkennen, dass er eine harte Zeit erlebt hatte. Er war recht dürr und sein eines Ohr stand nicht aufrecht. Es sah aus, als wäre es mal fürchterlich entzündet gewesen. Insgesamt wirkte er sehr müde, als hätte er ob der Ungerechtigkeiten des Lebens bereits aufgegeben.

"Ich grüße dich", erwiderte sie. "Ja, ich bin die Weihnachtselfe. Mein Name ist Anela."

"Man nennt mich Joguar," stellte sich nun auch Joguar vor. "Früher nannte man mich auch 'Mistvieh', 'weg da', 'verschwinde' und einiges mehr. Ich habe lange auf der Straße gelebt und die meisten Menschen waren nicht sehr nett zu mir."

"Als ich jung war, lebte ich bei einer alten Dame. Sie war sehr lieb zu mir und hatte mich wirklich gern." Seine Augen nahmen einen verklärten Glanz an. Er erinnerte sich gerne an diese Zeit, die dann so bitter beendet wurde. Er schüttelte den Kopf als er zu dem kam, was dann passierte: "Dann starb sie und ihre Familie kam, um sich um ihre Sachen zu kümmern. Mich nahmen sie einfach und setzten mich vor die Tür. Da war ich nun, mitten auf der Straße, wo ich mich überhaupt nicht auskannte und keine Ahnung hatte, wie man dort überlebt."

"Ich war verzweifelt und bat bei vielen Häusern um Einlass. Doch die Menschen hatten kein Mitgefühl, kein Verständnis für meine verzweifelte Situation." Ihn schauderte jetzt noch bei dem Gedanken an seine Versuche, an Futter und etwas Liebe zu kommen. Die Menschen warfen Steine nach ihm, überschütteten ihn mit Wasser oder traten ihn. Hätte er nicht zuvor schon einmal erlebt, dass sie auch anders sein konnten, dass er aus vollem Herzen geliebt wurde, er hätte aufgegeben und sich zum Sterben verkrochen.

"Es war eine sehr schwere Zeit für mich. Ich bekam nicht genug zu essen, musste unter Autos schlafen, um etwas Wärme abzubekommen und war immer auf der Flucht. Langsam verließ mich meine Kraft, ich wurde immer dünner und schwächer. Meine Ohren wimmelten von Milben und waren schlimm entzündet, ich war am Ende."

Anela liefen die Tränen übers Gesicht. Als mitfühlende Elfe konnte sie sich ausmalen, wie Joguar gelitten haben musste.

Joguar war so vertieft in seine Erinnerungen, dass er Anelas Reaktion gar nicht bemerkte. "Dann fand mich Ana. Ich glaube, es war im letzten Augenblick. Mir ging es wirklich schlecht. Nun lebe ich hier und es geht mir schon besser. Hier ist es ganz in Ordnung aber ich vermisse mein altes Zuhause. Wir waren glücklich, mein Frauchen und ich. Warum musste sie sterben? Ich werde nie wieder ein Zuhause haben, da bin ich mir sicher."

Anela schluckte. "Wieso denkst du das? Auch für dich muss es doch jemanden geben."

Joguar lachte bitter. "Schau mich doch an. Ich bin nicht besonders hübsch, mein Ohr hängt und dann wurde ich auch noch positiv auf FeLV getestet. Du glaubst doch nicht wirklich, dass sich jemand für mich interessiert, geschweige denn, mir ein Zuhause gibt. Schau Dir Miguelito an. Er war ein sehr hübscher Kater, aber auch er ist einsam gestorben, ohne dass man ihm noch einmal eine Chance gegeben hätte. Nein, mein Schicksal ist vorgezeichnet, ich werde hier sterben."

Er klang so unglaublich resigniert, dass Anela erneut die Tränen in die Augen stiegen. Sie beschloss, alles zu tun, um zu verhindern, dass er das gleiche Schicksal wie Miguelito erlitt. Wenigstens Joguar sollte noch einmal in seinem Leben glücklich sein.

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14) Patricio

Patricio

Patricio lag träumend im Gras und konnte den blauen Himmel sehen. Der wunderschöne Tigerkater war sehr sentimental heute. Noch 10 Tage bis Heiligabend und wieder hatte auch dieses Jahr niemand Tierra und ihn adoptieren wollen. Patricio schluckte schwer und eine Träne rollte über sein seidiges, fast blaues Fell.

Wie lange sollten Tierra und er denn noch auf ein eigenes Zuhause warten müssen?

Auf einmal flimmerte es vor ihm und es wurde sehr warm vor Patricio. Der Kater sah irritiert auf. Ein sehr kleines, zartes Wesen schwebte vor ihm. Das grün gewandete elfenhafte Etwas blickte den Tiger an und sprach: "Hallo, ich bin Anela - die Weihnachtselfe. Ich habe gerade deine trüben Gedanken gespürt. Du bist sehr traurig. Was ist los?"

Patricio schluchzte auf: "Ich finde es so traurig. Mein Freund Tierra und ich hätten so gerne ein eigenes Zuhause. Eins, wo man uns liebt und so sein läßt, wie wir sind. Dauernd bekommen andere Katzen den Vorzug, weil diese schöner oder zutraulicher sind. Aber Tierra und ich haben schon so viel erlebt ... da können wir uns nicht direkt den Menschen in die Arme werfen. Dafür müssen wir erst mal Vertrauen aufbauen. Hach, .... jetzt werden wir schon das zweite Weihnachtsfest mit Ana verbringen. Sie ist unser Engel - und sie tut alles, was sie kann. Aber, es ist eben kein eigenes Zuhause, wo wir für immer leben können."

Anela sah betrübt drein und erklärte: "Patricio, leider kann ich keine Wunder vollbringen. Daher kann ich euch kein Zuhause herbeihexen. Aber ich möchte euch helfen, eins zu finden. Auch deine Geschichte werde ich weitererzählen und irgendwann wird euer perfektes Traumzuhause da sein. Ehrenwort, ich kümmere mich darum."

Patricio blickte die kleine Elfe lange an und flüsterte leise: "Danke!"

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15) Hada

Hada

Als nächstes besuchte Anela Hada auf ihrer Pflegestelle in Karlsruhe.

Hada saß gerade am vernetzten Fenster und genoss die letzten Sonnenstrahlen. Als Anela angeflogen kam, blickte sie sie interessiert und etwas ängstlich an. "Hallo, wer bist du denn?"

"Hallo, ich bin Anela und wurde geschickt um deine Geschichte und die deiner Leidensgenossen zu erzählen, damit ihr ein Heim bekommt."

"Du möchtest wirklich meine Geschichte erzählen? Das ist toll, vielleicht bekomme ich ja so ein richtiges Zuhause. Hier ist es zwar schön, meine Pflegemama ist sehr lieb zu mir, aber ich weiß, dass ich nicht für immer bleiben kann." Hada machte das sehr traurig. "Wie viele meiner Freunde hatte auch ich einmal ein Zuhause, aber dann wurde ich lästig und man brachte mich und meine Schwester Belleza an einen ganz schrecklichen Ort. Hier war es kalt, es stank und ich musste zusehen, wie einige meiner Freunde vor Entkräftung neben mir starben. Ich hatte sehr viel Angst."

Anela bedrückte dies sehr. Sie hatte die Geschichte über die Zustände in der Tötungsstation schon von vielen Katzen gehört. Doch jedes Mal, wenn wieder eine Katze erzählte, wie es ihr dort ergangen war, war sie erneut entsetzt und schockiert.

Hada erzählte weiter. "Doch dann kam Ana, sie rettete uns und nahm mich und Belleza mit zu sich. Hier brauchte ich keine Angst mehr zu haben, aber ich sehnte mich doch so sehr nach meiner Familie. Das war alles zu viel für mich. Ich wollte mit den anderen Katzen nichts zu tun haben. Deswegen wurde ich alleine nach Deutschland vermittelt. Leider konnte ich bei meiner neuen Familie nicht lange bleiben. So wurde ich nach wenigen Tagen wieder abgeschoben und kam hierher."

Anela war schockiert, dass Hada so bitter enttäuscht wurde und fragte sich, warum so eine hübsche und liebe Katze kein endgültiges Zuhause fand.

Hada wirkte auf einmal sehr betrübt. "Warum will mich keiner haben? Ich gebe mir immer die größte Mühe, aber mir gelingt es einfach nicht, eine Familie zu finden. Anela, warum ist das so?"

Anela hatte nicht damit gerechnet, dass Hada sie so offen fragen würde, aber sie verstand, dass Hada anfing an sich zu zweifeln. "Hada, ich werde deine Geschichte erzählen und du wirst ganz bestimmt bald ein tolles Zuhause finden. Du bist so wunderschön, wenn man dich einmal kennengelernt hat, kann man dich einfach nur lieb haben. Genauso wie du bist, bist du richtig."

Hada blickte Anela an. "Anela, ich danke dir, ich hoffe, dass du mich noch einmal besuchen kommst und das dann hoffentlich bei meiner eigenen Familie."

Anela erwiderte: "Das werde ich machen, wir werden uns bald wiedersehen."

Sie streichelte Hada noch einmal liebevoll über den Kopf und merkte, wie weich ihr Fell war. Dann flog sie zurück nach Spanien.

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16) Gabana

Gabana

Gabana hatte in ihrem Leben noch nicht viel anderes gesehen als das Zimmer auf der Finca, in dem sie zusammen mit anderen Katzen untergebracht war. So fragte sie sich, welche Geschichte sie Anela erzählen sollte.

"Was kann ich dir sagen? Ich kenne ja kaum etwas. Als ich ganz klein war, bin ich zusammen mit einigen anderen in der Tötungsstation gelandet. Ana hat uns von dort gerettet. Viele von uns sind gestorben, ich habe überlebt. Seitdem lebe ich hier."

Ihre Stimme klang traurig, als sie fortfuhr. "Wir waren so viele, ich hatte viele Freunde. Nach und nach sind sie fast alle ausgezogen, weil sie ein Zuhause gefunden haben. Nur einige wenige von uns sind noch hier, weil uns bisher niemand haben wollte."

Ich frage mich, wie es ist, in einer Familie zu leben, richtig Platz zum Toben und Spielen zu haben. Ich bin zwar ängstlich, weil ich ja noch nie außerhalb dieses Raumes gelebt habe, aber ich möchte auch sehen, wie ein richtiges Zuhause aussieht. Inzwischen bin ich seit 1,5 Jahren hier. Bin ich so hässlich? Ist das der Grund, warum mir niemand ein Heim geben möchte?"

Anela war schockiert, dass Gabana sich allen Ernstes für hässlich hielt. "Ich finde dich sehr hübsch, du hast ein ganz tolles Fellmuster. Ich bin sicher, dass sich bald jemand für dich findet."

"Ich hoffe, du hast recht." Gabana wirkte nicht so recht überzeugt. "Ich möchte nicht noch ein Jahr hier verbringen. Ich möchte endlich ein Zuhause."

"Ich verspreche dir, dass ich tue, was ich kann, um deine Geschichte zu verbreiten und ein Heim für dich zu finden."

"Danke", flüsterte Gabana und Anela machte sich auf den Weg.

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17) Pilla

Pilla

Anela flog weiter zu Pilla.

Pilla schaute sie interessiert an und rannte direkt auf Anela zu. "Hallo, wer bist du denn?"

"Ich bin Anela."

"Was machst du hier, möchtest du mit mir spielen?"

Anela antwortete. "Nein, ich bin hier, um deine und die Geschichten deiner Freunde zu erzählen, damit ihr bald ein Zuhause findet."

In Pillas Augen blitzte ein kleiner Funke Freude auf. Sie war sehr glücklich darüber, dass sich endlich jemand für sie interessierte. "Ja, da kann ich dir einiges berichten."

Anela sah, wie Pillas Körperhaltung sich veränderte. Aus dieser aufgeweckten Schönheit wurde eine sehr traurige Katze, die sich in sich zurückzog.

"Wir, Boss, Billie, Sandro, Madona, Tiny und ich, wurden, als wir ganz klein waren, einfach von unserer Mama weggerissen. Es war ein wunderschöner Herbsttag und wir kuschelten gerade mit Mama. Ein Mann packte uns und warf uns in einen Karton. Wir hörten, wie unsere Mutter ganz fürchterlich nach uns schrie. Wir riefen sie auch, so laut wir konnten, aber das interessierte niemanden. Der Mann brachte uns an einen ganz schrecklichen Ort. Dort gab er uns ab und wir wurden in einen Käfig gebracht. Es war sehr kalt und wir hatten Hunger. Wir vermissten die Wärme und Liebe unserer Mama so sehr. Über Tage riefen wir nach ihr, bis wir heiser waren, aber sie kam nicht. Überhaupt schienen wir nicht zu existieren, man ignorierte uns einfach. Wir sahen einige unserer neuen Freunde neben uns sterben. Das machte uns allen sehr viel Angst. War das das Schicksal, das uns erwartete?"

Anela schnürte sich der Magen zu. Wie konnten Menschen nur so grausam sein?

"Was mit unserer Mama passiert ist, wissen wir nicht. Ich vermisse sie immer noch." Pilla sah Anela sehr traurig an.

Eine kleine Träne rann Anelas Wange entlang. Sie wischte sie weg. Wie gerne hätte sie Pilla und ihren Geschwistern diese Erinnerung genommen. Sie waren so klein gewesen und es wurde ihnen so deutlich gezeigt, dass sie unerwünscht waren. Keine Rücksicht auf Gefühle, oder was mit diesen kleinen Lebewesen passierte. Einfach wie Ballast entsorgt.

"Pilla, wie ging es dann weiter?"

"Eines Tages kam Ana und nahm uns mit. Wieder ein neuer Ort. Wir wussten gar nicht, was jetzt mit uns passieren würde. Wieder die Angst, dass wir sterben oder nicht versorgt werden. Für Tiny war das leider alles zu viel und er starb. Dieser Verlust traf uns alle sehr. Erst verloren wir Mama und dann auch noch Tiny. Wir hätten uns auch beinahe aufgegeben. Doch durch die Fürsorge und Liebe, die Ana uns gab, überlebten wir. Sie zeigte uns, dass das Leben doch lebenswert ist und es sich lohnt zu kämpfen und zu hoffen. Leider hat sie immer viel zu wenig Zeit für uns. Es sind so viele hier, die auf ein besseres Leben und ein eigenes Zuhause hoffen. Deswegen hat Ana uns auf eine Pflegestelle gebracht."

"Anela, kannst du mir ein Zuhause suchen? Ich nehme auch gerne Madonna oder Boss mit. Billy, Sandro und mein guter Freund Balasai haben schon ein wunderschönes Zuhause gefunden."

Anela musste das Gehörte erst einmal verarbeiten, bevor sie antwortete. Sie bewunderte Pilla und ihre Geschwister, dass sie sich nicht aufgegeben hatten und dass Pilla trotz ihrer Vergangenheit so offen, mutig und lieb war. "Nein, leider kann ich dir kein Zuhause suchen, aber ich werde deine Geschichte erzählen und bestimmt wird sich jemand für dich interessieren und dir die Sonnenseite des Lebens zeigen."

Pilla schaute Anela hoffnungsvoll an. "Oh ja, das wäre so toll und aufregend."

"Ja, Pilla, du wirst dein Heim finden, und das Erlebte bald vergessen. Du wirst dort so sein, wie du bist, ein bezauberndes, schwarzes Katzenkind, das den ganzen Tag mit seinen Freunden spielen und kuscheln darf. Du wirst ein Zuhause finden, in dem du angenommen und geliebt wirst."

Pillas Augen funkelten bei dem Gedanken daran, wie schön ein eigenes Zuhause sein musste. "Anela, ich danke dir."

Anela drückte Pilla ganz fest an sich und ging weiter. Pilla war ganz außer sich vor Freude. Sie rannte sofort zu Boss und Madona um ihnen von der aufregenden Begegnung mit Anela zu erzählen. Sie wollte ihnen auch Hoffnung geben, genauso wie Anela es bei ihr getan hatte.

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18) Neron

Neron

Als Anela bei Neron erschien, war dieser erst voller Misstrauen, selbst ihr gegenüber. Er hatte schon schlimme Erfahrungen gemacht, davon zeugte die große, halb verheilte Wunde an seinem Hals, die Anela bestürzt zur Kenntnis nahm.

"Du willst meine Geschichte hören? Ja, ich habe einiges zu erzählen, viel Gutes ist aber nicht dabei. Bist du sicher, dass du das wirklich hören möchtest?"

Auf Anelas Bestätigung kehrte sein Blick sich nach innen. Er erinnerte sich an alles, auch an die Dinge, die er gerne vergessen hätte. Die Bilder hatten sich eingebrannt und brachten ihm manche schlaflose Nacht.

"Als junger Kater war ich glücklich, ich hatte meine Mama und meine drei Geschwister. Wir lebten überwiegend draußen, aber eine Familie fütterte uns. Eine Zeit lang war es wirklich sehr schön. Ich spielte mit meinen Geschwistern und meine Mama kümmerte sich um uns. Dann starb Mama plötzlich. Sie hatte fürchterliche Schmerzen und Krämpfe. Es dauerte Stunden, in denen wir hilflos um sie herumsaßen und absolut nichts tun konnten. Wir mussten mit ansehen, wie sie sich quälte, bis sie schließlich starb. Vermutlich wurde sie vergiftet. Wir waren nun auf uns alleine gestellt, und wir waren doch noch so jung."

"Die Familie hörte auf, sich um uns zu kümmern und wir mussten uns Futter suchen. Eines Tages durchstöberte mein Bruder die Mülltonnen einer Siedlung. Er war hungrig und achtete nicht auf seine Umgebung. Einige Jugendliche packten ihn. Ich war ein Stück entfernt unterwegs gewesen und habe alles mit angesehen. Erst haben sie Zigaretten auf ihm ausgedrückt, schließlich übergossen sie ihn mit Benzin und zündeten ihn an." Nerons Augen spiegelten das Grauen wider, das er damals empfunden hatte. Hilflos hatte er das ganze Drama mit ansehen müssen, er konnte seinem Bruder nicht helfen, sonst hätten sie ihn auch noch umgebracht. Die Schreie seines Bruders würde er nie vergessen. Die Jugendlichen hatten gelacht. Völlig mitleidlos hatten sie zugeschaut, wie sein Bruder starb.

Anela hatte mit wachsendem Entsetzen zugehört. Die Tränen liefen ihr übers Gesicht. Es war kein Wunder, dass Neron niemandem mehr traute, nach dem, was er schon erlebt hatte und mit ansehen musste. Sie hatte das Gefühl, dass das noch längst nicht alles war, denn das erklärte noch nicht seine Wunde.

Neron starrte abwesend vor sich hin, während er fortfuhr. Er war tief in Erinnerungen versunken. "Mein anderer Bruder wurde von einem Auto überfahren, als er über die Straße lief." Er erinnerte sich gut an die Blutlache und die letzten Atemzüge seines Bruders. "Meine Schwester hatte mehr Glück, sie fand ein Zuhause bei einer Frau. So blieb ich als Einziger übrig."

Anela schluckte, als sie sich Neron als jungen Kater vorstellte, der völlig auf sich gestellt auf der Straße lebte.

"Eine ganze Weile schlug ich mich so durch, dann störte es einen Ladenbesitzer, dass ich in der Nähe lebte. Er fing mich mit einer Drahtschlinge, die tief in meinen Hals einschnitt und mich übel verletzte. Dann beförderte er mich in einen Karton und brachte mich in die Tötungsstation. Die Arbeiter dort wollten mich töten, als sie meine Verletzung sahen. An diesem Tag kam Ana, und hat mich mitgenommen."

"Ich weiß, dass sie es gut meint, aber nach allem, was passiert ist, fällt es mir sehr schwer, mich anfassen zu lassen. Ich mache es ihr nicht leicht, meine Wunde zu behandeln. Zu allem Überfluss wurde ich auch noch positiv auf FIV getestet. Aber hier muss ich wenigstens nicht mehr ums Überleben kämpfen und ich bin vor Übergriffen sicher."

Neron schwieg und starrte vor sich hin. Er war dankbar, dass er nun versorgt wurde und nicht mehr nach Futter und einem Unterschlupf suchen musste. Doch ganz tief in seinem Herzen spürte er etwas, eine gewisse Sehnsucht. Er wollte es sich selber nicht eingestehen, doch er sehnte sich nach einem Platz, an dem er dazugehörte, nach jemandem, der ihn liebte und für ihn da war. Trotz der vielen schlechten Erfahrungen war er noch nicht gebrochen. Er hatte noch Sehnsucht nach etwas Liebe und Geborgenheit.

Anela spürte Nerons Gedanken. Sie bewunderte diesen Kater, der sein Schicksal so tapfer ertrug und trotz allem noch nicht aufgegeben hatte. Sie hoffte inständig, dass es für ihn irgendwo ein Heim gab, einen Ort, zu dem er 'Zuhause' sagen konnte.

"Ich werde alles versuchen, damit du einen Platz findest, an dem du nicht nur versorgt, sondern geliebt wirst, das verspreche ich dir."

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19) Lysandro

Lysandro

Anela reiste weiter. Diesmal spürte sie den den Drang, Lysandro zu besuchen. Der kleine Kuhkater war müde vom Spielen und ihm fielen fast die Augen zu. Wie immer, wenn er kurz vorm Einschlafen war, schickte er ein kurzes Stoßgebet los, in dem er um ein endgültiges Zuhause bat. Bisher jedoch waren seine Bitten nicht erhört worden.

Es flimmerte und Anela erschien Lysandro. Der Kater war überrascht von dem kleinen Mädchen und fragte: "Wer bist denn du?"

Anela antwortete: "Darf ich mich vorstellen? Ich bin die Weihnachtselfe Anela. Ich besuche Anas Katzen und nehme ihre Geschichten und Wünsche mit, um diese in die Welt zu tragen."

Lysandro murmelte: "Eigentlich habe ich nur einen Wunsch, ich möchte gerne ein liebevolles Zuhause bekommen! Meine Geschichte ist relativ kurz und knapp erzählt, ich bin ja noch nicht so lange in Anas Obhut und auch noch recht jung.

Früher lebte ich auf der Straße, doch schon nach kurzer Zeit wurde ich gefangen und kam hier er. Hier auf meiner Pflegestelle könnte es wirklich toll sein, aber es heißt dauernd, dass ich nur übergangsweise hier bin und nicht bleiben darf. Das ist doch traurig."

Anela nickte: "Ja, das kann ich gut verstehen, dass dich das betrübt. Aber es gibt bestimmt bald ein gutes Zuhause für dich. Du bist noch sehr jung und so aufgeschlossen und lieb. Du wirst hier bestimmt nicht lange warten. Ich werde auch deine Geschichte erzählen."

Lysandro freute sich: "Danke Anela, das ist lieb. Ich hoffe, dass es wirklich so kommt, wie du vorhersagst."

Es blitzte und Anela war verschwunden.

Lysandro rollte sich in einem Kuschelbettchen zusammen und schlief ein.

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20) Boss

Boss

Die nächste Katze, die Anela besuchte, war ein schwarzweißer, junger Kater. Er hatte eine niedliche Zeichnung an der Nase und Anela fragte sich, warum er noch kein Heim gefunden hatte.

Er sah sie erwartungsvoll an: "Hallo, du musst Anela sein. Meine Schwester Pilla hat mir von dir erzählt. Sie sagte, dass du versuchen willst, uns zu helfen."

Es war noch nicht lange her, dass Anela Pilla besucht hatte, sie erinnerte sich gut an ihre Geschichte. "Du bist also der Bruder von Pilla. Sei gegrüßt, wie ist dein Name?"

"Man nennt mich Boss. Aber so richtig stimmt das nicht. Ich bin sehr sozial und möchte nicht überall der Chef sein. Meinst du, das ist der Grund, warum mich niemand haben will? Schreckt mein Name die Leute ab?"

"Das glaube ich nicht", erwiderte Anela. "Ich finde den Namen niedlich. Du bist doch ein hübscher Kater, das muss doch auch mal einem Menschen auffallen."

Wir waren fünf, als wir aus der Perrera gerettet wurden", erklärte Boss. "Bis jetzt haben nur meine Schwester Billie und mein Bruder Sandro ein Zuhause gefunden. Pilla, Madona und ich warten inzwischen seit über einem Jahr darauf, dass wir endlich umziehen dürfen. Hier ist es ja nicht schlecht, aber wir wissen nicht, was aus uns wird und wo wir mal hinkommen werden. Das belastet uns sehr. Diese Ungewissheit dauert nun schon so lange." Er schaute Anela traurig an. "Wäre ich ein Siam- oder ein Langhaarmix, würde ich schon lange in einem eigenen Zuhause wohnen. Wir haben schon öfter solche Freunde gehabt, die dann ganz schnell wieder ausgezogen sind."

Anela fand es sehr schade, dass Katzen wie Boss, die doch auch sehr hübsch und niedlich waren, so lange auf ein Heim warten mussten, nur weil sie die falsche Fellfarbe hatten. Das Wesentliche war doch für die Augen unsichtbar und Boss hatte einen tollen Charakter.

"Lieber Boss, irgendwann wird ein Mensch kommen, der nicht nur oberflächlich schaut, sondern deinen Charakter erkennt. Ich wünsche dir und deinen Geschwistern von ganzem Herzen, dass das bald der Fall ist. Bis dahin werde ich eure Geschichte erzählen."

Boss schaute skeptisch, denn so ganz konnte er sich nicht vorstellen, dass ihm endlich jemand eine Chance geben würde. Andererseits geschahen ja ab und zu Wunder, vielleicht hatte er ja doch mal Glück?

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21) Brillo

Brillo

Von Boss aus flog Anela weiter, um Brillo zu besuchen. Sie wollte noch mehr Katzen auf den Pflegestellen kennenlernen und auch deren Geschichten erzählen.

Brillo spielte gerade ausgelassen mit Lammas. Anela setzte sich auf den Boden und schaute sich das vergnügte Treiben an. Bevor sie sich versah, kamen die beiden übermütig angerast und rannten Anela im Eifer des Gefechts um. Lammas registrierte Anela gar nicht, er rannte weiter und suchte sich neue Spielgefährten, während Brillo neben Anela sitzen blieb.

Sie beschnupperte Anela neugierig. "Wer bist du?"

"Ich bin Anela und möchte deine Geschichte erzählen."

Brillo schaute Anela verwirrt an. "Warum möchtest du meine Geschichte erzählen? Es hat sich doch außer Ana noch nie jemand für mich interessiert."

"Brillo, vielleicht kann ich dir helfen, deinen größten Wunsch zu erfüllen, dass sich jemand für dich interessiert und dir ein Zuhause schenkt."

Brillos wunderschöne grünen Augen wurden groß. Sie hatte sich damit abgefunden, dass viele Katzen kamen und gingen, um in ihr neues Zuhause zu ziehen. Nie hätte sie gedacht, dass sie auch eine Chance bekommen würde.

"Wenn du meine Geschichte hören möchtest, dann werde ich sie dir erzählen."

Anela sah, wie die Fassade von Brillo zerbrach. Dieses wunderschöne Katzenkind war nur nach außen das fröhliche Wesen, innerlich war es eine traurige Katze, die sich nach Liebe und Geborgenheit sehnte.

"Als ich ganz klein war, wurde ich an einen fürchterlichen Ort gebracht. An meine Mama kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich war ganz alleine und durch die Menschen wurde mir klar gemacht, dass ich nicht erwünscht war und sterben sollte. Ich war einfach nur lästig. Wenn jemand kam, um uns zu füttern, versuchte ich, mit ihm zu kuscheln, aber ich wurde weggetreten. Wenn der Käfig gereinigt wurde, in dem ich saß, nahmen sie einen Gartenschlauch, aus dem Wasser kam, und reinigten nicht nur die Böden und Wände, sondern spritzten mich und meine Freunde auch mit Wasser ab. Wir versuchten immer, zu entkommen, aber wo sollten wir hin? Wir wurden nass und froren schrecklich. Einige meiner Freunde starben durch Erkältungen und froren am Boden fest. Es dauerte manchmal Tage, bis man sie aus dem Käfig nahm."

Brillo sah sehr bedrückt aus. "Eines Tages kam Ana und rettete mich und meine Freunde und brachte uns auf eine Pflegestelle. Das ist mittlerweile über ein Jahr her. Hier ist es warm, wir haben genug zu essen und dürfen spielen. Doch wir alle wissen, dass wir auch hier nicht bleiben können."

Anela konnte die grausamen Worte nicht verarbeiten. Sie hoffte so sehr, dass Brillo endlich erleben würde, was Liebe war. In drei Tagen würden alle mit ihren Familien zusammensitzen und den Weihnachtsabend genießen. Brillo und so viele andere Katzen würden immer noch auf ihr Heim hoffen. Anelas Herz krampfte sich zusammen. Auch sie würde in drei Tagen zurückkehren in das Weihnachtsdorf und zu ihrer Familie.

"Brillo, du wirst sehen, dein Wunsch wird in Erfüllung gehen. Ich werde deine und die Geschichten deiner Freunde erzählen, in der Hoffnung, dass ihr nächstes Jahr Weihnachten in einem eigenen Heim feiert. Du sollst nie wieder frieren oder Angst haben, geschlagen oder getreten zu werden."

Brillo sah Anela träumerisch an. Sie konnte es sich gar nicht vorstellen, wie ein richtiges Heim sein könnte. Für den Moment kuschelte sie sich an Anela an und schnurrte ganz laut. Seit langer Zeit fühlte sie wieder Hoffnung und Zuversicht. Anela streichelte Brillo zärtlich. So saßen die zwei noch eine ganze Weile und genossen die Ruhe und Zweisamkeit.

Doch dann musste Anela weiter. Sie gab Brillo zum Abschied noch einen Kuss in ihr seidenweiches Fell und flog davon.

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22) Albina

Albina

Albina lag in einem kuscheligen Katzenkorb und schniefte. Noch zwei Tage bis Heiligabend und sie war bisher weder adoptiert worden noch hatte die Weihnachtselfe sie besucht.

Ihre Freundin Rocio hatte da mehr Glück gehabt und ihr direkt von dieser aufregenden Begegnung mit Anela erzählt.

Albina wurde noch ein bisschen trauriger, so viele Katzen saßen hier schon so lange ... Patricio, Letizia, Moira, Spirit ... sie selber war vergleichsweise kurz hier. Und es wurden immer mehr ... wie sollte sie da als einfache Glückskatze besonders herausragen? Sie war jung und verschmust, aber das waren so viele ... Und auch, dass man sagte, sie sei eine Glückskatze hatte ihr vergleichsweise wenig Glück gebracht.

Eine Träne rollte über ihr Gesicht.

Dann flimmerte es auf einmal in der Luft und die kleine Weihnachtselfe erschien vor Albina. Die Katze jubelte innerlich auf. Sie hatte doch noch Glück und durfte Anela anscheinend auch ihre Geschichte mit auf den Weg geben.

Albina begrüßte Anela herzlichst: "Hallo Anela, ich bin Albina, eine Freundin von Rocio. Du hast sie relativ früh besucht und sie hat mir schon so viel von dir erzählt. Überhaupt gehen hier viele Erzählungen von dir rum und alle Katzen hoffen, dass sie noch auserwählt werden ... und sie dir ihre Geschichten erzählen dürfen. Unter uns gesagt, ich hatte meine Hoffnung schon längst begraben .... Umso mehr freut es mich jetzt, dass ich doch noch diese Chance bekomme."

Anela lächelte und antwortete: "Ja, ich habe gerade deine Traurigkeit gespürt. Du warst auch sehr hoffnungslos. Was ist dir denn passiert? Du hast doch schon einiges Gutes zu spüren bekommen, so zum Beispiel hier die Rettung durch Ana."

Albina seufzte: "Ja, das ist wohl wirklich ein Glücksfall gewesen. Rocio und ich saßen zusammen in der Tötungsstation und Ana hat uns dann von dort weggeholt und auf die Finca gebracht. Anfangs hatten wir noch Erkältungen, aber das ist auch inzwischen weggegangen. Nun sind inzwischen 10 Monate seit meiner Rettung vergangen und ich suche eigentlich nur noch ein schönes, liebevolles Heim. Meinst du, da habe ich eine Chance?"

Anela sprach nickend: " Ja, natürlich hast du beste Chancen. Du bist jung, hübsch und sehr verschmust. Da ist eine sehr gute Ausgangslage. Ich möchte dir natürlich auch gerne helfen und daher werde ich deine Geschichte auch erzählen."

Albina stimmte Anela zu: "Du hast Recht - ich bin noch relativ jung und mein ganzes Leben liegt noch vor mir. Dazu bin ich wirklich gegenüber anderen Katzen und Menschen sehr verschmust. Danke, Anela - dass du mir wieder Hoffnung gibst. Vielleicht kann ich ja sogar nächstes Jahr Weihnachten bei einer eigenen Familie verbringen ..."

Anela versprach: "Ich werde mein Bestes geben!" Danach blinkte es kurz auf und Anela war wieder verschwunden.

Albina stürmte dagegen davon, um nun ihrerseits vom Besuch Anelas bei ihr zu berichten.

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23) Spirit

Spirit

Spirit erinnerte sich an seine Rettung, als wäre es gestern gewesen, dabei war es schon so lange her.

Als Anela ihn am Tag vor Weihnachten besuchte, fiel es ihm also nicht schwer, ihr seine Geschichte zu erzählen.

"Ich war noch sehr jung, als ich in der Tötungsstation gelandet bin. Dort ging es mir nicht gut, es gibt ja dort keine Decken, keine Höhlen, in die man sich zurückziehen kann, nichts. Nachts wurde es sehr kalt und die Arbeiter dort spritzten die Käfige oft mit Wasser aus. Ihnen war es völlig egal, wenn wir dabei patschnass wurden."

"Ich wurde also krank, und das wäre sicher mein Ende gewesen, denn die Arbeiter kümmert es nicht, wie es uns geht und ob wir dort sterben. Meine Rettung war Ana. Sie hat mich dort herausgeholt, wahrscheinlich im letzten Moment."

"Ich habe überlebt und ich habe mich erholt. Seitdem heiße ich Spirit. Manchmal frage ich mich, ob es nicht besser wäre, wenn ich damals gestorben wäre."

Anela schaute ihn erschocken an. "Wie kannst du so etwas sagen?"

Spirit seufzte. "Schau mich doch an. Weißt du, wie lange ich schon hier bin? Fast zwei Jahre! Anfangs hatte ich noch Hoffnung, dass ich noch etwas anderes kennenlernen würde. Ich habe zwar schlechte Erfahrungen mit den Menschen gemacht und ich habe Angst vor ihnen, aber auch ich träume von einem warmen Platz an der Heizung, von einem Zuhause, in dem ich ein Familienmitglied bin."

"Weißt du, wie viele Menschen sich in all der Zeit für mich interessiert haben? Niemand, nicht einen gab es, der ernsthaft überlegt hat, mir eine Chance zu geben. Inzwischen bin ich des Wartens müde und es geht mir nicht gut. Ich verbringe nun den nächsten Winter hier und ich spüre, dass es für mich zu spät sein wird, wenn sich nicht bald etwas tut."

Anela war zutiefst betroffen von Spirits Mutlosigkeit.

"Bitte halte durch, lieber Spirit. Irgendwo gibt es den Menschen, der sich nicht von Äußerlichkeiten beeindrucken lässt, sondern mit dem Herzen sieht. Ich werde mein Bestes tun, diesen Menschen für dich zu finden."

Spirit legte resigniert den Kopf auf die Pfoten. "Tu, was du magst. Ich glaube zwar nicht, dass du Erfolg haben wirst, aber wir werden sehen."

Anela betrachtete Spirit, wie er so dalag, völlig resigniert und ohne Hoffnung, und machte sich mit einem schwerzen Herzen auf den Weg.

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24) Happy Ends

Happy Ends

Anela hatte inzwischen begriffen, welche Verantwortung der Älteste ihr mit dieser Aufgabe übertragen hatte. Dies wurde ihr von Schicksal zu Schicksal immer mehr bewusst. Einerseits hatten die Begegnungen mit den Katzen sie sehr betroffen und traurig gemacht, andererseits hätte sie diese Aufgabe um nichts in der Welt jemand anderem überlassen wollen. Das Gehörte zu verarbeiten, fiel ihr sehr schwer, doch alle traurigen Geschöpfe wieder zu verlassen, ohne Trost, Halt und jemanden, der ihnen zuhörte, brach ihr fast das Herz. Sie war wild entschlossen, ihr Bestes zu geben, um den Katzen zu einem neuen Zuhause zu verhelfen.

Doch nun färbte die Sonne den Himmel am Weihnachtsmorgen rot und es wurde Zeit für Anela, ins Weihnachtsdorf zurückzukehren. Sie freute sich sehr darauf, wieder Zuhause zu sein. Gleichzeitig gingen ihr die Katzen nicht aus dem Kopf.

Als sie in ihrem Weihnachtsdorf ankam, wurde sie von ihren Eltern und Freunden liebevoll begrüßt. Der Älteste überreichte ihr ihren ersten Stern (Sterne wurden für besonders schwere Aufgaben vergeben) und sagte zu ihr: "Anela, ich weiß, dass diese Aufgabe sehr schwer für dich war. Ich bin stolz darauf, wie du sie gemeistert hast."

Anela nahm den Stern mit einem Gefühl des Stolzes, aber auch mit einem sehr wehmütigen Herzen entgegen. "Danke, Ältester, ich hoffe, dass alle diese Katzen bald glücklich sein können."

Die ganze Gruppe ging zum Festsaal, um Weihnachten zu feiern. Der Saal war festlich geschmückt, es war warm und roch angenehm nach Gewürzen. Als Anela dies sah, schossen ihr Tränen in die Augen. Sie liebte Weihnachten und die jährlichen Feiern im Dorf. Dieses Jahr aber war anders. Sie konnte den Gedanken nicht abschütteln, dass die Katzen, denen sie in letzter Zeit begegnet war, es nicht so schön hatten. Sie waren alleine, ohne einen Menschen, der sie liebte und ohne zu wissen, was die Zukunft bringen würde.

Als die Feier schon eine Weile im Gang war, stahl Anela sich unbemerkt zur Tür hinaus. Draußen atmete sie erst einmal tief die kühle, frische Luft ein. Dann ging sie zur magischen Erdkugel.

Traurig betrachtete sie die Katzen, die sie besucht hatte, und hing ihren Erinnerungen nach. Alle ihre Freunde waren zurückgeblieben und warteten weiterhin auf ihre Familie. Deswegen war ihr dieses Jahr nicht zum Feiern zumute.

Plötzlich ertönte hinter ihr eine Stimme: "Anela, ich habe dich auf der Feier vermisst."

Anela drehte sich überrascht um. Sie hatte nicht gehört, dass der Älteste ihr gefolgt war. "Mir ist dieses Jahr nicht nach Feiern zumute. All diese traurigen Schicksale beschäftigen mich sehr." Anela starrte die Erdkugel gedankenverloren an. "Ich wusste nicht, dass es so viel Leid und Unglück gibt. Ich bin so behütet aufgewachsen, dass es mir schwerfällt zu glauben, dass jemand unerwünscht sein kann."

Der Älteste schaute Anela bedächtig an und ging zur Erdkugel. Er konzentrierte sich und das Innere einer Wohnung erschien. Anela sah einen schwarzweißen Kater, der gerade zusammen mit seinem Katzenfreund eine Weihnachtsbaumkugel durch die Gegend schoss. Beide wirkten sehr glücklich und vergnügt.

"Du hast viel Leid gesehen. Nun möchte ich dir die andere Seite zeigen. Der schwarzweiße Kater ist Onyx, er wurde ebenfalls von Ana gerettet. Der andere Kater ist sein neuer Freund Loui. Wie du siehst, hat er sein Zuhause gefunden. Er wird umsorgt und so geliebt, wie er ist: Ein kleiner Schelm, der viel Unsinn im Kopf hat. Er und Loui sind ein unschlagbares Team und ganz dicke Freunde."

Das Bild wechselte und es erschien ein schwarzer Kater mit verkrüppelten Ohren. Er lag zufrieden in einem Bettchen auf dem Fensterbrett. "Niki war ganz schlimm dran. Er musste sich als Straßenkater durchschlagen und hatte entzündete Ohren. Sieh ihn dir jetzt an, es geht ihm gut und er ist glücklich. Er hat noch vier Freunde, die auch alle von Ana gerettet wurden."

Die nächste Szene zeigte drei Katzen, die übermütig die Strohsterne am Weihnachtsbaum auseinanderpflückten. "Das sind Nikan, Maribel und Oro. Auch sie haben ihr Heim gefunden. Letztes Jahr zu Weihnachten warteten sie noch sehnsüchtig auf ein Zuhause. Dieses Jahr sind sie Familienmitglieder."

Als Nächstes schaute ein weißer Halblanghaarkater Anela an. "Du würdest ihn nicht wieder erkennen, wenn du ihn damals gesehen hättest. Er war völlig abgemagert und verdreckt. Auch Deva war ein Straßenkater. Er suchte Zuflucht vor der Kälte, indem er unter Autos schlief." Deva kugelte sich gerade ausgelassen über den Boden.

Ein bildschöner, schwarzer Kater lief gerade hastig in die Küche. Den Grund für seine Eile erkannte Anela schnell: Er hatte ein großes Stück Weihnachtsbraten gestohlen und versuchte nun, seine Beute in Sicherheit zu bringen. Plötzlich kam von der Seite ein schwarzweißer Kater angeschossen, angelte sich mit der Pfote das Bratenstück und versuchte, sich mit seiner Beute unter dem Küchenschrank zu verstecken. Nach einigen Versuchen musste er einsehen, dass er dafür zu groß geworden war. Als Dritte im Bunde gesellte sich eine schwarze Katze zu ihnen. Auch sie versuchte, ihren Anteil am Braten zu ergattern. Schließlich hatte sich jeder seinen Anteil gesichert. Die drei fraßen gerade zufrieden, als ihr Frauchen die Küche betrat. Sie schaute fassungslos auf das Chaos und begann zu lachen. Ihre Dreiercrew (Balasai, Sandro und Billie) hatte wieder zugeschlagen. Obwohl sie gleich putzen musste und ein Stück vom Braten fehlte, liebte sie die drei über alles.

Eine hübsche Tricolorkatze saß mit ihrer Freundin auf dem Kratzbaum. Die beiden putzten sich gerade gegenseitig und boten dabei ein Bild der Harmonie und Zufriedenheit. Offensichtlich hatte auch Anna ihr Glück gefunden.

Zufrieden zusammengekuschelt lag Mia auf dem Schoß ihres Frauchens und ließ sich streicheln. Man sah ihr an, dass sie die Zuwendungen sehr genoss. "Ramona, so hieß sie bei Ana, nun ist ihr Name Mia," erklärte der Älteste.

Leni und Catori hatten ihrem Frauchen bei den Festtagsvorbereitungen zugesehen und eifrig 'geholfen'. Nun waren sie von der ganzen Aufregung müde, kuschelten sich aneinander und bereiteten sich auf ein Schläfchen vor. "Die beiden waren in Spanien sehr gute Freunde. Erst fand Catori ein Zuhause, doch als ihre Menschen erfuhren, dass sie und Leni befreundet waren, konnten sie den Gedanken nicht ertragen, dass Leni zurückbleiben musste und so sind die beiden wieder vereint. Inzwischen hat auch noch Abby ihr Heim dort gefunden."

"Diese beiden hier hatten sehr viel Glück," erklärte der Älteste, als ein getigerter Kater und sein schwarzweißer Freund durch die Gegend tobten. "Sie haben als Einzige von 13 Kitten überlebt. Die anderen waren alle sehr krank und sind gestorben." Die beiden Kater hatten glänzendes Fell und sahen gesund aus. Offensichtlich ging es Darling und Bakari in ihrem Zuhause sehr gut.

Ein stattlicher, blauweißer Kater schmuste mit seinem Menschen und konnte gar nicht genug davon bekommen. "Ron hat trotz seiner FIV-Erkrankung eine Familie gefunden, die ihn über alles liebt." Die Stimme des Ältesten war sanft. Er sah, dass Anelas Stimmung sich langsam etwas aufhellte.

"Schau dir Ayomi und Melosa an," fuhr er fort. Anela sah die beiden zusammengekuschelt in einem Bettchen liegen. "Sie hängen sehr aneinander und sie haben zusammen ein neues Heim gefunden. Ihr Pflegefrauchen hat sie sehr geliebt, trotzdem hat sie sie ziehen lassen, damit andere Katzen aus Spanien nachrücken können. Sie haben viele Herzen berührt und nun haben sie ein Zuhause, in dem sie geliebt werden, auch wenn sie mal wieder Unsinn anstellen."

"Diese Katze hier teilt das gleiche Schicksal wie Cora." Anela sah eine hübsche Brauntigerin, die gerade mit einer schwarzen Katze raufte. Die beiden spielten so heftig, dass ein Stuhl umkippte. "Sie wurde, genau wie Cora, Weihnachten 2011 aus der Tötungsstation gerettet. Allerdings hat sie mehr Glück gehabt als die arme Cora, denn Biscuit lebt bereits seit Juli 2012 in ihrem Zuhause."

Anela sah noch viel mehr Katzen. Sie alle hatten ein Zuhause gefunden und lebten glücklich bei ihren Familien. Einige spezielle Katzen hatten das Glück gehabt, auf Dauerpflegestellen zu ziehen. Froilan, der FIV-positive Kater, und sein Pflegefrauchen liebten sich abgöttisch. Mudita und Sophus hatten das Glück gehabt, bei Gordita, Yenita, Makan, Gaspard und Ranju eine liebevolle Pflegefamilie zu finden. Natasha, die drei Jahre lang auf der Straße leben musste, durfte als Pflegekatze zu Fiera, Zeus, Don Diago, Pantera und Santi umziehen, wo sie zur Ruhe kommen konnte. Ganz besonders freute sie sich über John. Er hatte bei ihrem Besuch so niedergeschlagen gewirkt und nun hatte er sein Zuhause gefunden.

Auch in Spanien gingen große Dinge vor sich, denn Ana hatte es geschafft, ein Grundstück zu finden, auf dem Stück für Stück ein Tierheim entstehen sollte, so dass die Tötungsstation hoffentlich irgendwann geschlossen wurde. Das erste Gehege für die Tiere war bereits fertig und Anela sah, dass Melusina und einige andere Katzen bereits dorthin umgezogen waren. Sie hatten nun ein schönes Häuschen als Unterkunft und auch ein Freigehege zur Verfügung, in dem sie in der Sonne liegen konnten. Es tat sich also etwas, um die Situation der Katzen zu verbessern.

Als sie diese Vorgänge auf der magischen Erdkugel so betrachtete, kam in Anela ein Gefühl auf, das sie in letzter Zeit selten gespürt hatte: Hoffnung.

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